Seit Louis Braille die Blindenschrift, bestehend aus 6 Punkten erfand, wurde diese nicht nur gelesen, sondern auch geschrieben. Anfangs von Hand, später mit einfachen Hilfswerkzeugen, dann mit mechanischen Maschinen und schließlich mit dem Computer.
Hier finden Sie einige Daten und Fakten zur Produktion von Braille-Schrift, der Bibliothek sowie den Wandel der Aufgaben unserer Abteilung im Laufe der Zeit.
Die Geschichte der Lehrmittelerstellung in Braille-Schrift begann mit der Schaffung der Sechspunkteschrift durch den blinden Franzosen Louis Braille im Jahre 1825. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in Europa Blindendruckereien. In Österreich fiel diese Neuerung in das Jahr 1889. Der damalige Direktor des k.u.k. Blindeninstitutes Wien, Alexander Mell, wählte den sehr talentierten vierzehnjährigen Schüler Karl Satzenhofer aus und unterwies ihn im Punzieren von Zinkblechmatrizen und deren Vervielfältigung auf Papier mittels einer Handpresse. Satzenhofer konnte seine Grundkenntnisse durch Studienreisen nach Deutschland erweitern und vervollkommnen und wirkte dann selbst einige Male unterstützend bei Neuerrichtungen von Blindendruckereien mit.
Die ersten Druckwerke waren vor allem Noten sowie eine Ausgabe "Österreichische Dichter". 1904 gab es die erste Ausgabe der literarischen Monatszeitschrift "Johann Wilhelm Klein", die seither ohne Unterbrechung erscheint. Benannt wurde diese Zeitschrift nach Johann Wilhelm Klein, der in Wien am 13. Mai 1804 mit dem Unterricht blinder Kinder begonnen hatte.
Nach Kriegsende konnten die wenigen Mitarbeiter des Blindenschriftverlages den immer höheren Anforderungen kaum noch gerecht werden. Eine enorme Hilfe war es daher, als im Jahre 1950 durch die Organisation "American Foundation for the Overseas Blind" eine elektrische Tiegeldruckpresse übergeben wurde. Einige Jahre später erfolgte die Umstellung auf elektrische Punziermaschinen. Damit war ein weiterer Schritt zur Modernisierung gesetzt worden.
Die Umstellung auf computerunterstützte Texterfassung erfolgte im Jahr 1993 gemeinsam mit einem Wechsel in der Leitung. Die Anschaffung eines modernen Schnelldruckers 1994 sowie die Zuteilung eines zweiten Buchbinders und eines Korrektors 1995 waren ebenfalls bedeutend für die Erweiterung und Modernisierung.
Die Gründung der Leihbücherei fiel in das Jahr 1893. Zahlreichen ehrenamtlichen Abschreibern war es zu verdanken, dass bei der Übersiedlung in das 1898 fertiggestellte Blindeninstitut bereits 100 Bände vorhanden waren; 1910 waren es 7.000. Bedenkt man die mangelhafte Ausstattung und die damaligen Druckmethoden mit mechanischen Handpressen, war diese Leistung umso beachtlicher. Durch Eigenproduktion, Ankauf von Produktionen bei anderen Blindendruckverlagen und die Mitarbeit vorwiegend ehrenamtlicher Kräfte wuchs die Zahl der Bände bis zum Zweiten Weltkrieg auf 16.000 an, reduzierte sich aber durch Kriegseinwirkungen enorm.
Den Hauptanteil der Produktion bilden Jugendzeitschriften Spatzenpost, Kleines Volk, Yep, Jung Österreich und Topic sowie die literarische Zeitschrift "Johann Wilhelm Klein". Ergänzt wird das Angebot durch einige Buchproduktionen, Texte für den Unterricht, aber auch Informationsbroschüren für Verbände und Behörden sowie Brailledruck auf Visitenkarten sind im aktuellen Angebot enthalten.
Zeitschriften wie Bücher werden seit Anfang 1994 nahezu ausschließlich computerunterstützt erstellt; manchmal gescannt, weniger häufig getippt. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Da nahezu alle Texte in Langschrift entstehen, können diese sowohl in Voll- als auch in Kurzschrift übersetzt werden, was mittels eines eigens für diesen Zweck entwickelten Programms geschieht - vergleichbar mit der Layoutgestaltung "normal gedruckter" Publikationen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil liegt darin, dass die Korrektur eines Textes sowohl von einem blinden als auch von einem sehenden Mitarbeiter vorgenommen werden kann.
Die meisten Texte, welche in Braille-Schrift übertragen werden sollen, erhalten wir von unseren Auftraggebern als digitalen Text meist per E-Mail übermittelt. Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass aus einem Datenträger, der ja schon das komplette Layout enthält, kein reiner Text "herausgefiltert" werden kann - aber genau das ist die wichtigste Voraussetzung für die Aufbereitung in Braille-Schrift, da Bilder, Grafiken, Skizzen und Diagramme, aber auch mehrspaltige Tabellen als reiner Text wiedergegeben werden müssen. Hier zeigt sich deutlich, dass die modernen Produktionsmethoden neben der Arbeitserleichterung und größerer Flexibilität bei der Herstellung auch manche noch ungelöste Probleme mit sich bringen.
In den letzten Jahren wurde das Angebot durch tastbare Stadtpläne und Landkarten ergänzt, die mit stark vereinfachten kontrastreichen Skizzen für stark sehbehinderte Menschen unterlegt werden.
Auch die Qualitätskontrolle von Braille-Prägungen auf Medikamenten zählt zu unseren Aufgaben.
Einen hohen Stellenwert nimmt neben dem Thema Braille-Schrift die Beratung zu den vielfältigen Themen des Alltags blinder Menschen ein. Tipps zur speziellen Textgestaltung, der Konvertierung von Texten und Informationen über Bezugsquellen spezieller Hilfsmittel zählen ebenso dazu wie Beratung und Test bei der Erstellung barrierefreier Webseiten.
Die Bibliothek umfasst derzeit ca. 21.500 Bände (rund 8.000 Werke). Die Anzahl der Braille-Schrift-Leser ist in den letzten Jahren auf ca. 1.700 gestiegen, die Anzahl der Entlehnungen aber erheblich gesunken. Zweifellos ist dies zu einem großen Teil auf das Angebot anderer Zugangsmöglichkeiten zu Literatur, wie Hörbücher und Scanner zurückzuführen. Erfreulicherweise können inzwischen auch Ebooks zum Teil von blinden Menschen mit den entsprechenden Hilfsmitteln genutzt werden, was das Angebot verfügbarer Literatur erfreulicherweise enorm erhöht.
Darüber hinaus bietet die Braille-Bibliothek auch Fernleihe im gesamten deutschsprachigen Raum für Braille-Bücher an, wenn ein Werk in unserer Bibliothek nicht verfügbar ist.
Als Kleinstbetrieb sehen wir unsere Aufgabe keinesfalls in einer Produktionssteigerung auf den Gebieten Belletristik und Sachbücher, zumal das Angebot der Blindenschriftproduzenten im deutschsprachigen Raum auf diesem Gebiet nicht nur umfangreich, sondern auch vielseitig ist. Auch können andere Quellen wie die Hörbüchereien oder die automatische Texterfassung zur Erschließung von Büchern genutzt werden.
Zum einen wird es unser Bestreben sein - und dies nicht nur aus historischen Gründen -, die Erstellung von Schulungsmaterial für nicht integriert beschulte Kinder sowie für die Erwachsenenbildung zu forcieren, zum anderen sehen wir einen Schwerpunkt in der Zeitschriftenproduktion, also in der Übermittlung von aktuellen Informationen an die Blindenschriftleser. Eine Steigerung des Angebots an Literatur in Vollschrift für weniger geübte Leser ist ein weiteres Ziel.
Schließlich darf auch die weitere Modernisierung nicht vernachlässigt werden. Braille-Schrift wird heute ja großteils nicht mehr auf Papier, sondern mittels elektronischer Ausgabe durch synthetische Sprache und Braille-Displays an Computern und mobilen Geräten geschrieben und gelesen.
Künftig wird sich unser Aufgabengebiet immer mehr in Richtung Information und Wegweiser in ständig dichter werdenden Informations- und Kommunikationsdschungel verlagern.